Tagung | Prager Frühling
Prager Frühling - 40 Jahre danach
Der als "Prager Frühling" bezeichnete Reformprozess in der Tschechoslowakei des Jahres 1968 gehörte zweifellos zu den bedeutendsten Versuchen, das politische System innerhalb des "sowjetischen Blocks" auf friedlichem Weg zu transformieren. Die Reformbewegung entwickelte sich in einer besonderen Form der Interaktion zwischen der gesellschaftlichen Basis und den leitenden Instanzen. Während die "von oben" agierenden Reformkräfte innerhalb der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei ihre theoretisch-ideologischen Vorstellungen des Umbaus des politischen Systems im April 1968 als "Aktionsprogramm" der Öffentlichkeit präsentierten, entstanden im Sinne einer "zivilen Gesellschaft" die unterschiedlichsten Initiativen "von unten". Diese gestalteten mit ihren Reformvorschlägen wesentlich den Demokratisierungsprozess mit und nahmen aktiv an einem, breite Bevölkerungsschichten erfassenden Diskurs teil, getragen von den Medien, die erstmals seit 1948 unzensuriert berichten konnten.
Mit der Okkupation der Tschechoslowakei am 21. August 1968 durch die Armeen von fünf Warschauer Pakt-Staaten wurde der "Prager Frühling" gewaltsam beendet. Auf die lediglich von einer politisch isolierten prosowjetischen Gruppe unterstützte Invasion reagierte der überwiegende Teil der Bevölkerung mit Protesten und passivem Widerstand. Die nach Moskau deportierte tschechoslowakische Führung besiegelte indes mit ihrer erzwungenen Unterschrift des "Moskauer Protokolls" das Ende der Reformbewegung, der bald die so genannte "Normalisierungspolitik" folgte, in deren Verlauf Tausende als "politisch unzuverlässig" verfolgt und entschlossene Regimekritiker in politischen Prozessen zu langjährigen Strafen verurteilt wurden.
Innerhalb der Linken in Westeuropa, die die Bewegung für einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" mit wachsender Sympathie verfolgte, löste die Niederschlagung des "Prager Frühlings", insbesondere bei den meisten kommunistischen Parteien, einen Umbruch ihrer ideologischen Orientierung aus und führte schließlich zum Entstehen des "Eurokommunismus". Von besonderer Bedeutung war der "Prager Frühling" auch für die Kommunistische Partei Österreichs, die die Entwicklung im Nachbarland zunächst begrüßte, die Invasion der Tschechoslowakei verurteilte, schließlich jedoch während des 20. Parteitages im Jänner 1969 ihre Haltung unter dem Druck Moskaus diametral änderte. Die daraus erwachsene Spaltung gipfelte im Ausschluss einiger ihrer führenden Intellektuellen wie Ernst Fischer, der die gewaltsame Beendigung des "Prager Frühlings" als "Panzerkommunismus" anprangerte.
Von der den "Prager Frühling" mit Interesse beobachtenden "Sozialistischen Internationale", wurde die Invasion als "Akt der offenen Aggression" verurteilt, die "den imperialistischen Charakter der Beziehungen zeigt, den die UdSSR ihren Verbündeten im Warschauer Pakt aufzwingen will". Ihre führenden Persönlichkeiten wie W. Brandt, B. Kreisky, F. Mitterrand und O. Palme solidarisierten sich in den darauf folgenden Jahren mit den in der Tschechoslowakei verfolgten Regimekritikern. Wesentliche Unterstützung leistete vor allem B. Kreisky, indem er beispielsweise den in ihrer Heimat bedrohten "Charta 77"-Signataren politisches Asyl in Österreich zugesichert hat, von denen viele Mitgestalter des "Prager Frühlings" waren. Österreich wurde eines der wichtigsten Erstzielländer für zehntausende tschechoslowakische Flüchtlinge, wobei der Hauptstadt Wien eine zentrale Rolle zukam. Eine neue Herausforderung stellten die 68er-Flüchtlinge auch für die alteingesessenen Wiener Tschechen dar, deren Beziehungen sich aufgrund unterschiedlicher Sozialisation sowie Generationsunterschieden als schwierig erwiesen.
Anlässlich des 40. Jahrestages des "Prager Frühlings" wurde im Rahmen einer vom Forschungszentrum für historische Minderheiten initiierten internationalen Konferenz die Bedeutung dieses über die nationalen Grenzen hinaus wirkenden Reformversuches und die Folgen seiner gewaltsamen Niederschlagung untersucht.
Konzept: Jana Starek
26.-27. Mai 2008 im Forschungszentrum für historische Minderheiten; Universität Wien, Tschechische Botschaft
Kooperationspartner:
Botschaft der Tschechischen Republik in Wien, Botschaft der Slowakischen Republik in Wien, Tschechisches Zentrum, Wien, Slowakisches Institut, Wien; Tschechoslowakisches Dokumentationszentrum, Prag; Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften, Prag; Institut für Slawistik der Universität Wien; Österreichische Gesellschaft für Zeitgeschichte, Wien