Ausstellung | Worte gegen Panzer

Worte gegen Panzer. Vom Prager Frühling zur Samtenen Revolution

Die Ausstellung visualisiert nicht nur die Ereignisse rund um den Prager Frühling, sie spannt einen Bogen von der Befreiung der Tschechoslowakei von der NS-Herrschaft 1945 durch Truppen der Roten Armee bis hin zur Samtenen Revolution 1989.

Mit dem „Prager Frühling“ wird zumeist die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Armeen von fünf Warschauer Paktstaaten, die Dramatik der Ereignisse im August 1968 assoziiert. Diesen wird auch Raum gegeben, doch von größerem Interesse ist der Reformprozess, der schon in den frühen 1960er Jahren seinen Anfang nahm. Doch will man den Ereignissen des Prager Frühlings auf die Spur kommen, gilt es zunächst einen Rückblick auf das Jahr 1945 zu machen. Denn die grundsätzliche Wertschätzung der Sowjetunion und der Kommunistischen Partei (KPTsch) gründet nicht zuletzt in der NS-Zeit. Die KPTsch hatte sich aufgrund ihrer konsequenten Widerstandstätigkeit gegen das NS-Regime in der Bevölkerung große Anerkennung erworben. Erst durch die stalinistische Entwicklung der KPTsch in den 1950er Jahren, die mit der massiven Unterdrückung und Verfolgung von Oppositionellen einherging, erhielt dieses Bild einen deutlichen Riss. Dennoch entwickelte sich die Reformbewegung unter der Führung von Alexander Dubcek in einer Interaktion zwischen den leitenden Instanzen der KPTsch und der gesellschaftlichen Basis. Teile der Bevölkerung wollten den Reformprozess allerdings weiter vorantreiben als es von der Parteiführung intendiert war. Dabei spielten die Massenmedien, die erstmals seit 1948 unzensuriert berichten konnten, eine wesentliche Rolle.

Der Einmarsch von fünf Warschauer-Paktstaaten, allen voran die Sowjetunion, die die Reformbewegung als Konterrevolution verurteilten, bedeutete zwar ihr Ende, doch wie bei den meisten Ereignissen, die auf den ersten Blick wie ein Bruch aussehen, gibt es auch Kontinuitäten. Und so hat bei aller Resignation in der Phase der so genannten Normalisierung auch der Widerstand seine Fortsetzung gefunden.

Ein Widerstand, der von Anfang an vom Wort und von der Rede geprägt war. Anfang der 1960er Jahre sind es die Literaten, die kleinen Theater, die Intellektuellen und Journalisten, die die Aufbruchsbewegung vorbereiteten und während des Prager Frühlings auch trugen. Doch insbesondere in den Tagen der Okkupation ergreifen Menschen aus unterschiedlichen Schichten das Wort, im Gespräch mit den Besatzungssoldaten, mit Parolen und Plakaten an Schaufenstern und Häuserfronten. Dass im Zuge der Samtenen Revolution der Schriftsteller Václav Havel zum neuen Staatspräsidenten ernannt wurde, hat daher hohen Symbolcharakter.

Gleichsam als Leitobjekt der Ausstellung dient ein Panzer, in dem sich dieser Bogen auf besondere Weise verdichtet. Es ist der Panzer 23, der erste sowjetische Panzer, der Prag 1945 erreichte - der Anfang vom Ende der NS-Herrschaft. Ihm wurde ein Denkmal gesetzt. Die Okkupation 1968 ließ den Panzer des Befreiungsdenkmals jedoch zum Sinnbild für Gewalt und Unterdrückung werden. 1991 wurde der Panzer von David Černý, einem Kunststudenten, in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion rosa gestrichen. Der Künstler wurde für kurze Zeit in Haft genommen, der Panzer in seinen ursprünglichen Zustand rückgeführt. Doch zehn Tage später veranlassten Parlamentsabgeordnete, dass der Panzer wieder seine rosa Farbe erhielt. Trotzdem wurde der Panzer vom Sockel gestürzt und aus dem öffentlichen Raum verbannt. In das Armeemuseum überstellt wurde er als museales Objekt gewissermaßen stillgestellt. Der Reiz dieses Objekts besteht darin, dass sich hier mehrere Geschichten verdichten, die bis in die Gegenwart führen. Denn 40 Jahre nach dem Prager Frühling, geht es nicht nur um das Ereignis selbst, sondern auch darum, wie sich Rezeption verändert, welchen aktuellen Stellenwert es hat.

Ausstellungskuratorin: Regina Wonisch, Ausstellungsgestalter: Peter Karlhuber




Foto: Institut für Zeitgeschichte, Prag


"Such weiter! Die Konterrevolution muss irgendwo sein!"


Installation Panzer 23
Foto: FZHM